Starkes Signal vom Werkstättentag der Vielfalter in Papenburg: 670 Fachkräfte im Austausch über Zukunftsgestaltung
Die Inklusion von Menschen mit einer geistigen und körperlichen Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt kann nur in Begleitung von Fachkräften gelingen. Das wurde Ende Oktober beim Werkstättentag der regionalen Unternehmensinitiative „Die Vielfalter“ in Papenburg deutlich. 670 Fachkräfte aus acht Einrichtungen erlebten in der Historisch ökologischen Bildungsstätte (HÖB) Diskussionen, zahlreiche Workshops und einen intensiven Austausch.
„Wir können viel voneinander lernen und das wird im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Vielfalter seit Jahren bereits sehr eindrucksvoll praktiziert“, sagte Christian Thien, Kompetenzfeldleitung
Berufliche Qualifizierung und Teilhabe am Arbeitsleben bei Vitus. Vitus war Mitorganisator des Fachtages und gehört zu den acht Einrichtungen der Vielfalter, eine regionale Unternehmensinitiative von acht Sozialunternehmen mit Einrichtungen und Diensten für behinderte Menschen in Südwest-Niedersachsen. In den rund 30 Workshops standen die unterschiedlichen Lebenslagen von Werkstatt-Beschäftigten aber auch Mitarbeitenden im Mittelpunkt. Leitfragen waren u.a.: Wie ist die Zusammenarbeit des Berufsbildungsbereiches mit den Berufsschulen? Welche Chancen bieten ein ambulanter Berufsbildungsbereich oder digitale Lernangebote? Was für Möglichkeiten haben Inklusionsbetriebe? Aber auch die fachliche Begleitung in den Einrichtungen stand im Fokus des Werkstättentages. Wie kann eine Werkstatt nachhaltig arbeiten? Kann man trotz Stress mit entsprechenden Strategien gesund und fit bleiben und welche Möglichkeiten bietet Metacom als unterstützende Form der Kommunikation oder ein digitales Assistenzsystem? Auch hier wurde deutlich: Die Entwicklungen und Weiterentwicklungen ermöglichen mehr Teilhabe. Aber es bedürfe regelmäßiger angepasster Rahmenbedingungen, insbesondere der Bereitstellung finanzieller Ressourcen durch die Politik.
Eine der großen Herausforderungen der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ist es, auch zukünftig Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Das wurde in einer ersten Talkrunde, moderiert von Moderator Ludger Abeln mit Frank Surmann (Leiter Berufliche Bildung beim Christophoruswerk Lingen) und Sarah von Grönheim (Geschäftsführerin der Vielfalter) deutlich. Dazu bedürfe es vernünftiger und verlässlicher Rahmenbedingungen. „Die Werkstatt muss von der Politik als Stimme für berufliche Qualifizierung und Rehabilitation wahrgenommen werden“, so von Grönheim. Aber auch die von der Bundesregierung angedachten Reformen der Rahmenbedingungen, insbesondere des Entgeltsystems für Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten, standen im Fokus einer Podiumsdiskussion. Nicole Kaiser brachte als Vorsitzende der Werkstatträte der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten (LAG WR) ihre Sorge zum Ausdruck, dass mit den Reformen das etablierte System der WfbM die Grundlage entzogen werden könne. Sie machte deutlich, dass ein Großteil der Menschen mit Behinderungen grundsätzlich sehr gerne in den Werkstätten arbeite und dort weiterhin tätig sein wolle. Nur für einen kleinen Teil kämen Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten in Frage. Sie forderte für die Werkstattbeschäftigten ein transparenteres Auszahlungssystem aus einer Hand und eine spürbare Anhebung der Entgelte, die an die tatsächlich gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst sind. Dazu der Bundestagsabgeordnete Jens Beeck (FDP): „Die unterschiedlichen Töpfe und Leistungen, die den Einkommensbezug für die Beschäftigten sicherstellen, sollten künftig über nur einen Bescheid geregelt werden. Die Arbeit in den Werkstätten muss weiterhin funktionieren und es muss nachvollziehbar mehr Entgelt gezahlt werden“.
Der Landesvorsitzende Arbeit|Bildung|Teilhabe und Vitus Geschäftsführer aus Meppen, Michael Korden, berichtete, dass das Bundesteilhabegesetz (BTHG) die Werkstätten bislang kaum in den Blick genommen habe. „Es braucht neben dem Fokus auf Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch weiterhin eine Angebotsvielfalt zur Deckung individueller Bedarfe und einen Bürokratieabbau mit weniger Formalismus und wechselseitigem Absichern. Dafür werden wir in Zukunft kein Geld mehr haben, davon müssen wir weg“, so Korden. Positive Signale vermittelte auch die Professorin Dr. Stephanie Birkner in ihrem Impulsvortrag. „Über 600 Menschen, die tagtäglich Arbeit für und mit Menschen leisten, sind hier versammelt. Niemand ist hier klein. Jeder trägt hier Licht und zündende Energie in sich“. Dabei machte sie deutlich, dass in allem Arbeiten und Tun in den Werkstätten auch ein Hauch von unternehmerischem Handeln stecke, denn es gehe um die tägliche Gestaltung, den Wandel und die ständige Veränderung. Einen Dank richteten die Veranstalter abschließend an die HÖB, aber auch an die benachbarte Kindertagesstätte sowie die Michael-Oberschule, dessen Räumlichkeiten ebenfalls für den Fachtag genutzt werden konnten.